
Wallfahrt
Zu den bedeutendsten bayerischen Marienwallfahrten zählt Neukirchen beim Heiligen Blut am Fuße des Hohenbogen in der Oberpfalz, unweit der Grenze zu Tschechien. Und so ist es kein Wunder, dass Böhmen in der Geschichte dieser Wallfahrt eine besondere Rolle spielt.
Die Legende klingt blutrünstig: In einer hohlen Linde unweit von Neukirchen versteckt während der Hussitenkriege (1419-1436) eine aus dem böhmischen Dörfchen Lautschim stammende fromme Bäuerin ein wunderträchtiges hölzernes Marienbild.
Jenseits der Grenze findet die Statue bald danach Platz in einer Feldkapelle. Ein Reiter - »ein gottloser Mensch, seiner Nation ein Böhme, seines Irrtums ein Hussit, seiner Sitten ein Barbar und seiner Eigenschaft ein Bösewicht«, wie der Chronist zu berichten weiß - sieht sie und wirft sie in seiner Wut in einen Brunnen. Doch umgehend kehrt die Figur an ihren alten Platz zurück. Das Ganze wiederholt sich noch zweimal. Nun versucht der Soldat, die Figur mit seinem Säbel zu zertrümmern und spaltet ihr Haupt. Als daraus rosenfarbiges Blut fließt (was der Wallfahrt später ihren Namen gab), erschrickt er derart, dass er nur noch fliehen möchte. Aber sein Pferd bewegt sich keinen Meter - seine Hufe sind festgewachsen. Auf einem Votivbild in der Kirche sind vier Hufeisen befestigt, die angeblich von diesem Pferd stammen. Der Hussit wird bekehrt und soll fortan als gläubiger Wallfahrer noch oft nach Neukirchen gekommen sein.
Wie sich die aus diesem Ereignis resultierende Wallfahrt in den kommenden Jahrzehnten entwickelt hat, bleibt im Dunkeln. Dass sie sich rasant entwickelt hat, ist indes unbestritten. Vor allem böhmische Pilger besuchten gern und häufig ihre »geflüchtete Madonna«. Eine nicht unbedeutende Rolle spielte Neukirchen während der Reformation. Der stark gegen die Protestanten eingenommene bayerische Herzog und spätere Kurfürst Maximilian I. förderte den inmitten calvinistisch geprägter Bezirke gelegenen Ort, indem er ab 1609 die Kapelle zum heiligen Blut beträchtlich erweiterte und unter anderem den prächtigen Hochaltar finanzierte. Durch diese Maßnahmen blühte die Wallfahrt stark auf, und der kleine Ort bei Cham galt eine Zeit lang neben Altötting als bedeutendstes bayerisches Zentrum der Marienverehrung.
-- Augustinus G. Kozdra
